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Geschichte der Logik

Teil I: Vorgeschichte der modernen mathematischen Logik

Das Wort Logik stammt ab von dem griechischen Wort logos, das soviel bedeutet wie Wort, Gedanke, Sinn, Denken, Vernunft. Es wird in zwei Bedeutungen gebraucht: erstens Logik als Verknüpfung von Gedanken in Schlußfolgerungen, als das, was objektiv dem Denkprozeß eigen ist und schlechtweg logisches Denken genannt wird, und zweitens Logik als Wissenschaft von dieser Verknüpfung von Gedanken.

Die Geschichte des logischen Denkens selbst verliert sich im Morgengrauen der Menschwerdung. Davon wollen wir hier nicht sprechen. Wir wollen das Wort Logik in seiner zweiten Bedeutung gebrauchen, als Wissenschaft von der Verknüpfung der Gedanken. Die Geschichte der Wissenschaft der Logik kann in vier große Perioden unterteilt werden:

  • aristotelische Logik (gesamtes Altertum),
  • terministische Logik (gesamtes Mittelalter),
  • traditionelle formale Logik (etwa 16. bis 19. Jahrhundert),
  • moderne mathematische Logik (seit 1879).
Wir wollen im weiteren die Entwicklung der Logik in diesen Perioden kurz charakterisieren und werden dabei auch feststellen, wieso man den Beginn der letzten Periode so genau datieren kann. Anschließend soll noch auf eine moderne Entwicklung der Logik aus jüngster Zeit eingegangen werden.

Obwohl die 1. Periode als aristotelische Logik bezeichnet wird, beginnt doch die Geschichte der Logik nicht erst mit Aristoteles, der von 384 bis 322 v.u.Z. lebte. Schon bei Zenon, der 100 Jahre früher lebte, finden wir eine Reihe logischer Probleme erörtert, beispielsweise die Paradoxie von Achilles und der Schildkröte. Darin wird behauptet, das der schnellfüßige Achilles das langsamste Tier, die Schildkröte, niemals einholen kann, falls diese zu Beginn des Laufes nur irgendeinen Vorsprung hat. Denn hat Achilles den ursprünglichen Ort der Schildkröte erreicht, ist diese inzwischen zu einem neuen Ort weitergekrochen, hat er jenen erreicht, ist die Schildkröte abermals weitergekrochen usw.
Die Kunst der logischen Diskussion verdanken wir Sokrates (469-399 v.u.Z.) und seinem Schüler Platon (428-348 v.u.Z.) erste Ansätze zur Lehre von der Deduktion und Beweisführung. Zu erwähnen wären noch andere antike Philosophen, beispielsweise Demokrit und die Pythagoräer.
Daß man trotzdem Aristoteles, den großen Schüler Platons, als den Begründer der Wissenschaft der Logik bezeichnet, liegt daran, daß er die ersten umfassenden Schriften über Logik hinterlassen hat. Seine darin erreichten Ergebnisse machen bis heute einen bedeutenden Teil der Logik aus. Seine Erörterungen über den Gang des Erkennens sind von materialistischen Gedanken durchdrungen, die Wahrheit definiert er im Sinne des Materialismus als Übereinstimmung unserer Kenntnisse mit der Wirklichkeit. Erstmals verwendete Aristoteles Aussageformen der Art „A kommt jedem B zu” und Beziehungen zwischen solchen Aussageformen anstelle konkreter Aussagen und deren Beziehungen. Wir verdanken ihm die erste systematische Untersuchung möglicher Schlußformen, eine relativ exakte Beweistheorie und eine allgemeine Theorie der Wissenschaften, ferner Schriften über allgemeine Grundzüge des Lebens, zur Staatstheorie u.a. Von Marx und Engels wird Aristoteles als Geistesriese, als einer der größten Denker des Altertums bezeichnet.

Im Mittelalter wurden kaum Fortschritte in der formalen Logik erzielt. Die Philosophie und jede Wissenschaft wurden zu dieser Zeit in den Dienst der kirchlichen Dogmen gestellt, die herrschende Klasse paßte die idealistischen Systeme der Antike den Bedürfnissen der christlichen Glaubenslehre an. Durch die Scholastik, die Hauptrichtung der mittelalterlichen Philosophie, wurden die Erfahrungswerte und der objektive Charakter der logischen Gesetze negiert und damit die aristotelische Lehre entstellt. „Das Pfaffentum tötete in Aristoteles das Lebende und verewigte das Tote”, sagte Lenin zu dieser Entwicklung.
Zu den wenigen Fortschritten in der formalen Logik zählen die Beschreibung einiger Operationen der Aussagenlogik durch Petrus Hispanus (1205-1277) und die Darstellung logischer Operationen mit Hilfe eines Systems konzentrischer Kreise durch Raimundus Lullus (1235-1315).

Erst der Einfluß der Reformation ermöglichte, daß sich die Logik von der katholischen Theologie endgültig unabhängig machte. Mit dem Entstehen des Bürgertums begann ein stürmisches Wachstum von Wissenschaft und Technik. Die Entwicklung kapitalistischer Produktionsweisen machte eine tiefergehende Erforschung der Natur, der konkreten materiellen Dinge und Erscheinungen erforderlich sowie eine bessere Kenntnis der Denkprozesse.
Francis Bacon (1561-1626), der Begründer des Materialismus der Neuzeit und der experimentellen Wissenschaften, unterzog die mittelalterliche scholastische Logik einer umfassenden Kritik. Seine Logik entartete allerdings im weiteren zu einer einseitigen empirischen Logik.
Wertvolle Beiträge zur Entwicklung der formalen Logik in dieser Zeit, in der die 3. Periode beginnt, lieferte René Descartes (1596-1650). Ihm gebührt der Verdienst der eingehenden Untersuchung der deduktiv-mathematischen Methode bei der Erforschung von Fragen der Naturwissenschaften und der Erarbeitung des mathematischen Prinzips der vollständigen Induktion, das er als ein logisches Prinzip betrachtete.

Einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Logik in dieser Periode leistete Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716). Ihn müssen wir auch als den Wegbereiter der Idee einer mathematischen Logik nennen, obwohl gerade seine diesbezüglichen Arbeiten ohne historische Wirkung blieben und erst Anfang unseres Jahrhunderts wiederentdeckt wurden.
Leibniz begann als erster mit dem Versuch, logische Tatbestände mit Hilfe mathematischer Methoden und mathematischer Begriffsbildung zu erfassen und stellte ein Programm auf, nach dem ein Zeichensystem zur Darstellung von „Charakteren” entwickelt werden sollte, dazu ein Kalkül, der eine rein rechnerische Behandlung aller in den Zeichen ausgedrückten Aussagen gestattet, und ein Verfahren, durch das für beliebige in den Zeichen ausgedrückte Aussagen entschieden werden kann, ob sie wahr oder falsch sind.
Erst in unserem Jahrhundert konnte bewiesen werden, das dieses „Leibniz-Programm” nicht realisierbar ist, da es ein solches universelles Entscheidungsverfahren nicht geben kann. Die ersten intensiven Versuche zur Schaffung einer einheitlichen Symbolik für die logischer Operationen beginnen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Jahre 1847 veröffentlichte der Engländer George Boole (1815-1869) seine Schrift „The Mathematical Analysis of Logic” und 1854 sein Werk „An Investigation of the Laws of Thought”, in denen er die Grundlage der Algebra der Logik legte. Die Hauptbestandteile dieser Algebra sind die Theorie der Wahrheitsfunktionen und die Herstellung kanonischer Normalformen, beruhend auf den Grundbegriffen Multiplikation, Addition und Subtraktion, die hier als logische Operationen zu deuten sind.
Booles Algebra der Logik wurde von W. S. Jevons (1835-1882) und Ernst Schröder (1841-1902) vervollkommnet und von P. S. Porezki (1846-1907) weiterentwickelt.

Die erste Darstellung der klassischen zweiwertigen Aussagen- und Prädikatenlogik in Form einer formalisierten Sprache mit einer Axiomatisierung der aussagenlogisch allgemeingültigen Ausdrücke findet sich 1879 in einem Buch des Jenaer Mathematik-Professors Friedrich Ludwig Gottlob Frege (1848-1925). Über ihn und seinen Einfluß auf die weitere Entwicklung der mathematischen Logik berichten wir im nächsten Beitrag.

Dr. G. Lischke
FSU Jena
(erschienen in Die Wurzel, Heft 7+8/1984)

Geschichte der Logik

  · Teil I: Vorgeschichte der modernen mathematischen Logik
  · Teil II: Friedrich Ludwig Gottlob Frege
  · Teil III: Weitere Entwicklung nach Frege
  · Teil IV: Algorithmische Logik
  · Literaturhinweise

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